Matthias Fleiter, Bereichsleiter der Außenstelle Rietberg, und Axel Berger, Pressesprecher der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne, vor demn JVA-Gebäude in Rietberg. (Foto: RSA/Pfaff)
Rietberg (rdp). Gar nicht Abseits, sondern an der vielbefahrenen Bahnhofstraße, liegt das Gebäude dennoch eher unscheinbar und passt sich dem Ensemble der Gewerbeunternehmen an dieser Durchgangsstraße an. Wer hohe Mauern, meterdicke Tore oder Stacheldraht erwartet, dürfte enttäuscht sein. Ein genauer Blick ist schon erforderlich, um die Justizvollzugsanstalt in Rietberg zu erkennen.
Dagegen ist die Arbeit, die hinter den Türen geleistet wird, gar nicht unscheinbar. „Im offenen Vollzug besteht die beste Möglichkeit, Gefangene wieder in die Gesellschaft zu integrieren“, betont Axel Berger (61), Pressesprecher der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne. Die JVA Rietberg ist eine von 14 Außenstellen. „Dabei helfen uns auch heimische Unternehmen. Und gerade in Rietberg gibt es super Arbeitgeber für diese Aufgabe – die Kernaufgabe Resozialisierung.“
Seit fünf Jahren ist Matthias Fleiter (52) Bereichsleiter der Außenstelle Rietberg. Mit ihm sorgen neun Mitarbeitende für einen reibungslosen Dienst rund um die Uhr. Medizinische Fachdienste und Sozialdienste gehören weiter zum Stab, der sich um die ausschließlich männlichen Gefangenen in der JVA mit einer Belegungsfähigkeit von 75 Personen kümmert. In der Außenstelle sind Behandlungsplätze für die substitutionsgestützte Behandlung Opioidabhängiger eingerichtet. „Die Gefangenen können aus dem geschlossenen Vollzug kommen oder auch erstmals inhaftiert sein“, erläutert Matthias Fleiter. Ob sie sich für den offenen Vollzug eignen, wird in einem qualifizierten Zugangsverfahren durch eine interdisziplinär besetzte Zugangskommission geprüft. „Erst nach positiver Eignungsprüfung, kann dann bei entsprechender Indikation einer der etwa 20 Behandlungsplätze mit Schwerpunkt Opiatabhängigkeit belegt werden “, ergänzt Axel Berger.
Außerdem wird erprobt, ob ein Arbeitseinsatz erfolgsversprechend eingeschätzt wird. Dann können die substituierten Gefangenen auch einer Außenbeschäftigung bei einem ortsansässigen Handwerks- oder Industriebetrieb nachgehen und auch das Ziel der Aufnahme eines freien Beschäftigungsverhältnisses anstreben. Dann können sie nach Beruf oder Fähigkeiten eingesetzt werden oder manchmal auch neue Berufe für sich finden. Berger: „Arbeit gibt Halt. Viele kennen keine Arbeitsprozesse mehr im Alltag. Hier lernen sie einen geregelten Ablauf“, blickt Berger auf guten Zuspruch in Rietberg von beiden Seiten – Gefangene und Arbeitgeber.
Gerade in Rietberg bieten viele Unternehmen Übernahmen und Arbeitsverträge an. Die Gefangenen erleben Wertschätzung für ihre Arbeit. „Wenn sie dann eine Wohnung und ein neues Umfeld dazu bekommen, werden sie auch nicht so schnell mehr straffällig“, sagt Axel Berger. Auch Matthias Fleiter kann dies nur bestätigen: „Die Eingliederung über den Arbeitsbereich funktion
iert hier gut, auch mit einem kollegialen Verhalten.“
Der Tag in der JVA Rietberg beginnt
nicht nur früh, sondern auch mit geforderter Selbstständigkeit beim Aufstehen und Frühstück der Gefangenen im Alter von 20 bis über 60 Jahren. Ab 5.30 Uhr warten die ersten Arbeitgeber vor der Tür. Bis 17 Uhr kommen die Inhaftierten zurück und genießen das Abendbrot. „Die Warmverpflegung gibt es am Abend und wird in der eigenen Anstaltsküche von den Gefangenen selbst hergestellt“, schenkt Fleiter viel Vertrauen, das nicht missbraucht wird. Auch bei einer sinnvollen Freizeitgestaltung unterstützt die Anstalt: Gitarren stehen für musikalische Interessen zur Verfügung, ein Kraftraum zum Auspowern und auch Sportvereine bieten Möglichkeiten.
„Ganz wichtig ist der Abbau von Vorurteilen in der Gesellschaft. Hier leben ganz normale Menschen“, fordert Axel Berger. Allerdings müssen sich die Gefangenen auch bewähren. Nach den ersten vier Wochen kann es dann „Lockerungen“ geben, die vom 5-stündigen Ausgang im Idealfall mit einer Bezugsperson dann auf weitere Stunden erhöht wer
den kann. Bei fortlaufend guter Bewährung in den schrittweisen Lockerungs- und Erprobungsstufen, kann es auch 24 Tage Hafturlaub geben, davon allerdings nur 2 Tage pro Kalendermonat. „Das besprechen wir intern in den Fachbereichen, aber auch mit Angehörigen. Dabei betrachten wir das Umfeld und geben Verbote aus: Drogen, Alkohol oder auch Kontaktverbote“, erklärt Bereichsleiter Matthias Fleiter.
Hintergrund:
Die Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne ist eine Behörde des Landes Nordrhein-Westfalen im Geschäftsbereich des Justizministeriums. Sie ist eine Anstalt des offenen Vollzuges für männliche und weibliche erwachsene Gefangene. Mit 1569 Haftplätzen ist die JVA Bielefeld-Senne nach der Zahl der Haftplätze die größte Justizvollzugsanstalt Deutschlands und die größte offene Anstalt Europas. Sie besteht aus: dem Hafthaus Senne (zugleich Sitz der Verwaltung) mit 131 Haftplätzen, dem Hafthaus Ummeln mit 361 Haftplätzen und 14 Außenstellen, die sich in den Kreisen Gütersloh, Paderborn und Warendorf befinden.