Schach ist, wenn Nagelsmann zur Nebensache wird

Kindertraining bei der SG Turm Rietberg trotzt Computerspielen, aber nutzt sie zum Üben

Jugendleiter Agon Krasniqi (l.) und Vorsitzender Ferdi Schumacher mit dem Nachwuchs, der am 16.11. ein Turnier hat.  Fotos: R

Rietberg (rdp). Ein tausend Jahre altes Spiel überlebt im Zeitalter der Gamings, Computerspiele und Smartphones, und findet Freunde bei Kindern und Jugendlichen. Ein königliches Spiel, das strategisches Können, Aufmerksamkeit und Konzentration erfordert. Es fördert aber auch soziale Kommunikation – gerade dann, wenn Kinder miteinander spielen. 

Die Schachgemeinschaft Turm Rietberg erfreut sich derzeit dieses Trends und bietet seit März ein Angebot für Kinder immer freitags ab 18 Uhr für etwa eineinhalb Stunden im Jugendhaus der Südtorschule. „Beim ersten Mal sind zwölf Kinder gekommen, dann hat es sich herumgesprochen und es wurden noch mehr“, blickt Pressewart Eberhard Austermann zurück. Mittlerweile sind regelmäßig bis zu 14 Jungen und ab und zu auch Mädchen im Altersdurchschnitt von 11 Jahren beim Training. Der Jüngste ist sogar erst sieben Jahre jung.

„Das ist durchaus das richtige Alter mit dem Schachspiel zu beginnen“, freut sich Austermann über die Resonanz. Zugleich sei das Spiel auch interessant für alle Altersklassen, da man sich untereinander messen könne, ohne – wie zum Beispiel bei Ballsportarten – auf Größen- oder Gewichtsunterschiede Rücksicht nehmen zu müssen. „Unser ältester Spieler im Verein ist 89 Jahre alt.“ So sind auch beim Jugendtraining die „älteren“ Gäste als Sparringpartner gern gesehen, um Erfahrung weiterzugeben oder sich dem jugendlichen Esprit zu stellen.

Trainingseinblicke

Der RSA darf an einem Nachmittag beim Training spieken und über die Schulter schauen. Ein Freitag, an dem Fußballbundestrainer Julian Nagelsmann gerade die Aufstellung für ein Nations-League-Spiel bekanntgegeben hat. Bei den Jungs ist es ein Thema. Sind die richtigen Spieler aufgestellt? Ist der eigene Lieblingsverein ausreichend berücksichtigt? Doch als Jugendleiter Agon Krasniqi die große Tafel mit dem Schachfeld und haftenden Figuren hochhält, sieht es nicht nur wie eine Taktikbesprechung in der Kabine aus, sondern wechselt die Intensivität des Themas schlagartig: Schach. Auch in der Theorie spitzen die Jungs die Ohren und haben gleich Vorschläge, um mit Zügen aus verzwickten Lagen zu kommen. Vor- und Nachteile möglicher Spielideen werden abgewogen.

Man dürfe nicht nur auf schlechte Züge der Gegner hoffen, wirft einer der jungen Schachspieler ein. „Das Zentrum ist wichtig auf dem Spielfeld“, vermittelt Agon Krasniqi, doch warnt er zugleich: „Vorsicht, wenn ihr mit der Dame in die Mitte rückt, ist sie immer sehr angreifbar.“ Dann endlich kommen die Spielbretter auf den Tisch. Heute spielen je zwei Jugendliche zeitgleich gegen die Erfahrenen Ferdi Schumacher (zugleich Vereinsvorsitzender), Mannschaftsspieler Michael Trost und Jugendleiter Krasniqi.

„Das ist das schöne, dass wir gegen alle spielen können“, sagt Felix, der schon als Fünfjähriger seine ersten Züge gemacht hat und Schach vom Vater gelernt hat. Auch sein Kumpel Marian ist vom Angebot der SG Turm begeistert und brennt auf Begegnungen. Das Training ist kostenfrei. Nur wer in der Mannschaft spielen will, muss auch Vereinsmitglied werden.

Die 90 Minuten gehen für die meisten viel zu schnell vorbei. „Ich bin froh, dass Hannes Schach und hier mit anderen spielen kann“, betont Annette Ulbrich, die ihren Sohn vom Training abholt. Im Urlaub habe Hannes ein Großschach-Spiel im Freien gesehen und seitdem Interesse entwickelt. „Ich habe auch mitgelernt, aber mittlerweile bin ich kein Gegner mehr für ihn.“

Es sei ein super schönes Angebot von der SG, stimmt Marina Bäumker zu. Ihr Sohn Finn habe Schach vom Opa gelernt und spiele regelmäßig mit ihm. „Mit Figuren, die noch vom Uropa stammen, auf einem Schachbrett, was mein Mann selbst gebaut hat.“

Und wie trainieren die Kinder außerhalb der Übungsstunde? „Da profitieren wir von Online-Angeboten oder Schach-Computern“, weiß Eberhard Ostermann die neue Technik für das Schachspiel zu schätzen, so dass die Jugend modern mit traditionell gut kombinieren kann. „Wenn sie allerdings Spiele nachspielen, bietet das echte Brett einen besseren Blickwinkel als ein PC.“