Der gebürtige Dr.-Ing. Olaf Peterschröder äußert sich in einem Leserbrief zu den Plänen, dass Gebäude an der Rathausstraße 1 durch einen Neubau zu ersetzen.
Das Gesicht einer Stadt ist immer dynamisch. Eine starre Konservierung der Gegebenheiten macht gewiss keinen Sinn – die Wesensmerkmale ihres Charakters und Erscheinungsbildes zu erkennen und zu bewahren, ist aber ebenso richtig und nötig. Haus Hamschmidt an der Rathausstraße 1 in Rietberg darf meines Erachtens eine bedeutende architektonische und städtebauliche Rolle zugebilligt werden, die nicht ohne Not aufgegeben werden sollte. Denn nicht nur das Gebäude mit seiner konsistenten Gestaltung hat einen eigenständigen Zeugniswert für den historischen Stadtkern, auch sein Standort und seine städtebauliche Wirkung am Nordtor sind von Belang – und rechtfertigen nicht nur den Erhalt, sondern auch eine Unterschutzstellung als Baudenkmal! Denn „bedeutend“ ist dabei nicht gleichzusetzen mit berühmt, besonders alt oder kostbar. Entscheidend für die Denkmaleigenschaft ist allein der an der Bausubstanz festzumachende historische Zeugniswert – und der liegt im Falle von Haus Hamschmidt auf der Hand: Haus Hamschmidt wurde in der Mitte der 1930er Jahre als zweigeschossiges Wohn- und Geschäftshaus errichtet. Die besondere, geradezu torartige städtebauliche Situation am Nordtor wird wie selbstverständlich in die architektonische Disposition des Gebäudes übernommen – indem die nordwestliche, straßenseitige Gebäudekante als wirkmächtiger, dreigeschossiger Eckrisalit ausgeformt wird. Unübersehbar sind die Anklänge an die Formen des Neuen Bauens („Bauhausarchitektur“), die sich in der schmucklos-sachlichen Gestaltung und den visuell übereck gestellten Sprossenfenstern des Eckrisalits verdeutlichen. All dies unter dem Eindruck zeitgenössischer architektonischer Moden, die sich damals verzögert in der Provinz ausbreiteten und sich in einer Mischform inte-
grierten. Haus Hamschmidt ist natürlich kein „Bauhaus“-Vertreter, aber ein öffentliches Interesse an seiner Erhaltung und Nutzung besteht dennoch. Denn schützenswert im Sinne des Denkmalgesetzes ist eine Sache, „wenn sie bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse ist und für die Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe vorliegen.“ Haus Hamschmidt ist eine solche „Sache“! Rat und Verwaltung könnten das Heft des Handelns in die Hand nehmen: In der Liste des zu schützenden Kulturguts wird das Objekt Rathausstraße 1 vermutlich bereits gelistet. Im nächsten Schritt sollte „von Amts wegen“ eine Unterschutzstellung durch die Stadt erfolgen. Und wenn sich die Eigentümer und die Stadt mit ihren Fachleuten und dem Denkmalpfleger dann noch gemeinsam auf den Weg machten, Lösungen zu entwickeln und Kompromisse zu finden, würden solche ortsbildprägenden Gebäude für die Nachwelt zeugnisgebend erhalten bleiben.