Rietberg (dg) „Das war eine gelungene Überraschung“, freut sich Ralf Müller im Gespräch mit dem Rietberger Stadtanzeiger. „Wir erhielten einen Anruf von der Evangelischen Kirchengemeinde aus Hülscheid, die zunächst wissen wollten,ob unsere Instrumentenwerkstatt noch aktiv ist“, erzählt der Orgelbaumeister vom ersten Kontakt. Dieser führte ihn zu einer Speith-Orgel aus dem Jahre 1876. Bis zum Jahre 1900 gab es keine Aufzeichnungen von gebauten Instrumenten. Somit
Nach 141 Jahren kehrt die Speith Orgel zurück
war die Existenz der Hülscheider Orgel im heutigen Unternehmen nicht bekannt. Umso größer die Freude vor Ort beim ersten Besuch in der Kirche. Da stand sie nun, eine der frühen Instrumente des Firmengründers Bernhard Speith (1822 – 1905). Er hatte sich mit seiner Orgelbau-Anstalt 1948 selbstständig gemacht. Baute Orgelwerke und zu Beginn noch Tafelklaviere, eine frühe platzsparende Bauform gegenüber dem Flügel. In der Firmengeschichte waren bis dato die ältesten Orgeln in Helbra (Südharz) 1895, sowie Menzel (Rüthen) 1896 bekannt. Nun gesellte sich das Instrument aus dem Sauerland dazu. Allerdings in einem schlechten Zustand. War lange nicht gespielt worden und wenn, nur auf einem Register möglich. Seit der Neuanschaffung wurde sie wohl nur zweimal gereinigt, gestimmt und teilrestauriert, wie aus Erzählungen zu erfahren war.
Einzelne Schäden zu beheben machte fachlich keinen Sinn. So bekam das Rietberger Traditions-Unternehmen den Auftrag zur Komplettsanierung. „Es ist schon ein besonders Gefühl, dass nach 144 Jahren ein Orgelbauwerk wieder zurück in unsere Werkstatt findet, um es gänzlich zu überarbeiten“, berichtet schon ein wenig stolz, Ralf Müller dem RSA.
Drei Fachleute haben über zwei Monate sensibel ihr geschätztes Handwerk ausgeübt, um der Hülscheider Orgel ihre gewünschte Klangdisposition (deutsch/romantisch) zu verleihen. Technisch war die Kon-
struktion – auch nach der langen Zeit – weitgehend in gutem Zustand. Windlade sowie Gehäuse bestehen aus massiver Eiche. Die Zinn- und Bleipfeifen galten überwiegend als defekt.
Mit 16 Registern und 871 Pfeifen ist die Orgel von ausreichender Größe für die evangelischen Kirche. Jetzt steht sie fast wie neu an ihrem alten Platz. „Eine seltene Aufgabe, die wir mit viel Herzblut zur Freude der Kirchengemeinde und unser eigenen realisieren durften“, resümiert der heimische Orgelbauer. Wenn auch Neuaufträge für die Königin der Instrumente sehr rückläufig sind, so ist die Begeisterung für die berufliche Lebensaufgabe in jeder Begegnung mit Ralf Müller zu spüren. In fünfter Generation verantwortet er
Orgelbau und Orgelmusik als Kulturerbe anerkannt
heute, mit hoher Anerkennung, Bestandspflege in der Orgellandschaft. Ist gefragt wenn es um perfektes Stimmen, Intonieren, professionelles Reinigen, sensible Restaurierungen oder Konzeptionierung neuer Instrumente geht. Musikalische Gene hat er von seinem Vater Günther geerbt. Jener hat 1978 die Orgelbaufirma von der Familie Speith übernommen. 1995 übernahm Sohn Ralf die Verantwortung. Seit 171 Jahren haben 460 individuelle Einzelanfertigungen die Rietberger Werkstatt verlassen. Sie sind instrumentaler Mittelpunkt ihrer Gotteshäuser in Deutschland, Italien, Portugal, Dänemark, Japan, Korea, Brasilien, China und ihre Qualität wird geschätzt. Die Renovierung der Hülscheider Orgel ist ein aktuelles Beispiel. Orgelbau und Orgelmusik sind seit 2017 als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt.