Ehrungen im Rat für 30-, 25- und 20-jährige Tätigkeit: Josef Beermann, Hans-Dieter Vormittag, Christiane Schneiders, Andreas Sunder, Heinz Isenbort, Thomas Kofort. (Foto: RSA/Pfaff)
Rietberg (rdp). Der Haushaltsplan 2025 für die Stadt Rietberg wurde am Donnerstagabend vom Stadtrat verabschiedet. Nach langer Diskussion – auch schon zuvor in den Ausschüssen – und Änderungen in der Vorlage der Verwaltung verabschiedeten die Ratsmitglieder den Finanzplan mehrheitlich allerdings zwei Enthaltungen und sieben Gegenstimmen. Zuvor war in den Haushaltsreden der Fraktionen vielfach Kritik auch gegen Bürgermeister Andreas Sunder aufgekommen.
Finanzierung einer neuen Sporthalle oder der Sanierung der Gesamtschule, der Stellenplan um Aufträge im Klimaschutz sowie die Sorge um eine Haushaltssicherung erregte die Gemüter, die zum einen auch eine vertrauensvollere Zusammenarbeit forderten.Geeint blickten die Fraktionssprecher jedoch auf die sorgenvolle Lage in der Welt mit Krisen und Kriegen, auf nationale Probleme der Wirtschaft und politische Strömungen mit Blick auf die im Februar anstehende Neuwahl des Bundestags.
Mit dem Blick auf den Rietberger Haushalt 2025 bleibt die Erkenntnis, dass es ein Defizit von rund 9 Millionen Euro gibt, das durch die Ausgleichsrücklage aufgefangen werden soll. Bei vorausgerechneten Einnahmen von 88 Millionen Euro gilt es Ausgaben von 97 Millionen Euro zu decken. Die Gewerbesteuer (33,5 Mio.Euro) machen den größten Posten der Einnahmen aus, dagegen stehen allein 46 Mio. Euro Transferaufwendungen an Umlagen.
Aus den Haushaltsreden
Priorisierung Gesamtschule
Auswirkungen der Bundespolitik macht Marco Talarico (CDU-Fraktionsvorsitzender) mit dafür verantwortlich, dass auch in Rietberg 6-stellige Mehrausgaben für Strom und Wärme der städtischen Gebäude ins Kontor schlagen: „Energiekosten schießen in den Orbit!“ Stehe die Großwetterlage global und national auf Sturm, so wirbele es auch in Rietberg getreu dem Motto ‚Mitgehangen mitgefangen‘. Doch dies sei nur ein Teil der Wahrheit: „Als CDU haben wir in den vergangenen Jahren beständig und mit Nachdruck auf Unwuchten, Missstände und Fehlentwicklungen im Haushalt hingewiesen. Doch das Ruder herumgerissen haben wir allesamt nicht. Weder Sie, Herr Bürgermeister, noch wir im Rat.“ An einen Konsolidierungsprozess glaube er nicht, denn der Haushaltsentwurf habe die Defizitschallmauer von 11 Mio. Euro durchstoßen. „Zur Wahrheit und Klarheit gehört, dass wir bereits jetzt einen Schuldenstand im Kernhaushalt von 70 Mio. Euro stemmen. Sollten im Worst-Case alle Kreditmittel tatsächlich benötigt werden, stiege unser Kreditbuch um 49. Mio. Euro auf 119 Mio. Euro Schulden an.
Auf der einen Seite ständen Rekordeinnahmen, die Gewerbesteuer der heimischen Wirtschaft, Unternehmer, Handwerker und Gewerbetreibende einbringen. „Ohne diese Beteiligung am Rietberger Stadtleben gingen hier die Lichte raus!“ Dagegen müsse auch die erhöhte Kreisumlagen unter die Lupe genommen werden. Für Rietberg gelte, dass kostspielige Nice-to-haves auf den Prüfstand gehörten, und dann auch mal unpopuläre Entscheiden getroffen werden müssten.
Für die CDU-Fraktion sprach sich Talarico für die Priorität der Gesamtschulsanierung aus, ein klares Pro für den Gartenschaupark und ein wachsames Auge auf die Renovierung der Rathausstraße. „Mit uns wird es keine neue Mitte Rietberg in zweiter Reihe zwischen Rathaus, Kirche und Pfarrheim geben. Das Geld sparen wir uns.“ Außerdem werde das Projekt Rathausstraße kein Herzensprojekt der Bürgerinnen und Bürger die den Wunsch auf Kostensenkung und Verkürzung der Baustellenzeit äußern.
Schließlich blickte Marco Talarico auf die Herausforderungen für Rat und Verwaltung: „Die Beratungen zu den Haushaltspositionen waren in diesem Jahr größtenteils sachlich und intensiv. Gleichzeitig bin ich tief enttäusch, dass demokratische Entscheidungen aus Fachausschüssen und aus langen Abwägungen und Diskussionen nicht akzeptiert werden, weil sie nicht der eigenen Überzeugung entsprechen. Vertrauen und Respekt sind die Grundlage dafür, dass wir gemeinsam die Segel für die Zukunft setzen können.“
Gegen zu viel Rotstift
„Die nun immer größere Gefahr der Haushaltssicherung ist nahezu bei jedem Ansatz, zu dem wir nicht gesetzlich verpflichtet sind, zu berücksichtigen. Diese Haushaltssicherung beeinflusst fast alle Beschlüsse“, ging Josef Biermann (UWG-Fraktionsvorsitzender) gleich auf den Sparmodus ein, dem alle Beratungen zum Haushaltsentwurf unterlagen. Im Entwurf für das Jahr 2024 habe man ein Defizit von 9,7 Mio Euro eingeplant. Tatsächlich seit der Verlust deutlich geringer ausgefallen. Zu danken seit vor allem den heimischen Unternehmen, deren gute Bilanz durch die Erhöhungen Kreisumlage wieder komplett eliminiert worden sei. „Im Namen der UWG kann ich nur eine Bitte wiederholen. Das Wort sparen sollte auch mal beim Kreis die Diskussionen bestimmten und dort Einzug halten.“
Nicht an der Ausbildung der Schüler und Schülerinnen zu sparen, sei seit vielen Jahren im Rat ein Vorsatz. „Dieser Vorsatz ist dem dem Haupt- und Finanzausschuss Geschichte. Die CDU hat mit ihrer Mehrheit nicht den Rotstift genommen, sondern gleich mal zum breiten Edding gegriffen, ihren eigenen Beschluss aus 2022 revidiert und damit den Sportunterricht am Schulzentrum für einige Jahre mit einem Mangel an einer notwendigen Sporthalle versehen.“ Die Renovierung der Gesamtschule werde vorgezogen – mit Stimmen der CDU und unterstützt von der FDP. „Liebe CDU: Es ist schön, dass Ihr Investitionen in Pflichtaufgaben nun im Vorgriff einer Haushaltskonsolidierung schon ablehnt und für diese Maßnahme nun auch in den Folgejahren keinerlei Ansätze im Haushalt vorgesehen werden sollen. Das hat mit Ehrlichkeit für uns Politiker, aber auch besonders für eine Verwaltung nichts mehr zu tun.“
Zugleich appellierte Beermann am Kunstrasenplatz Mastholte festzuhalten, den Radweg Westenholzerstraße nicht aufzugeben. „Die UWG wird dem Haushaltsplanentwurf mit seinem Stellenplan zustimmen. Wir hoffen dabei, dass nun die Ansätze für das Jahr 2025 von weiteren Turnübungen seitens der CDU verschont bleiben.“
Klimaschutz vernachlässigt
„Klimaschutz ist Menschenrecht. Deshalb sollte gerade unser Haushalt die Werte widerspiegeln, die wir als Klimakommune voranbringen wollen“, begann Gabriele Siepen (Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen) ihre Ausführungen und verwies darauf, dass die geforderte gewaltige gesellschaftliche Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit vor allem von den Kommunen geschultert werden müsse.
Die Schuldenbremse sei eine Investitionsbremse (Nachhaltigkeitsforum der Pro Wirtschaft GT). Deshalb müsse sich vor allem auf Bundesebene grundlegend etwas ändern. „Bleibt abzuwarten, ob es nach der Wahl ein Einsehen gibt und ernsthafte Reformen zur Verbesserung der Lage in den Kommunen ergriffen wird“, führte Siepen weiter aus.
Mit Blick auf die zuletzt stattgefundene Diskussionen im Haupt- und Finanzausschuss erinnerte Siepen verärgert an die Bitte der Fachabteilung, die Stelle der Klimaschutzmanagerin um 0,6 Prozent um einen Stellenanteil von 0,1 zu erhören. „Besonders zynisch dann dazu noch die Begründung zu hören, dass durch die ersatzlose Streichung des Förderprogramms Klimaschutz ja Arbeitskapazitäten frei geworden seien.“ Unverständnis äußerte Gabriele Siepen auch für die Entscheidung, die Stelle des Klimafolgenanpassungsmanagers zu streichen. Dabei hätte man einem gute eingearbeiteten Mitarbeiter im bereits erstellen Wärmeplan neue Aufgaben übergeben können. „Ein Armutszeugnis für die Klimakommune.“
Klimaschutz und Nachhaltigkeit werde sich die Fraktion auch in Zukunft auf die Fahnen schreiben.“Der Haushaltssatzung der Stadt für 2025 stimmen wir, gerade auch vor dem Hintergrund der jüngsten fatalen Personalentscheidung, nur noch zähneknirschend zu.“
Investitionen in die Zukunft
Mit einem Rückblick auf erfolgreiche Projekte aus 2024 begann Christiane Schneiders (SPD-Fraktionsvorsitzende) ihren Beitrag: Kommunale Wärmeplanung, Schülerspezialverkehr in ÖPNV integriert und Sportentwicklungskonzept. Die Bestandsaufnahme mit dem IKPS (Institut für kooperative Planung und Sportentwicklung) habe gezeigt, wie wichtig bedarfsgerechte Sportförderung für über 30 Sportvereine mit 11.000 Mitgliedern sei. Gesamtschulsanierung wie Sporthallenneubau hält Schneiders für wichtig. Eine „Schieberitis“ wolle die SPD nicht mitmachen. „Wird diese Turnhalle nicht gebaut, haben unsere Schulkinder teilweise keinen Sportunterricht mehr, der Pflicht ist.
Eine Grundsatzfrage stellte Christiane Schneiders: „Wie wollen wir Rietberg in Zukunft entwickeln?“ Für sie gehören Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz dazu. Man müsse eine Stadt für alle Generationen schaffen, die dort gut leben, arbeiten und sich wohlfühlen könnten. „Wir sind eine Klimakommune. Das ist eine Verpflichtung, und da spreche ich ausdrücklich die Mitglieder der CDU und FDP an. Klimawandel und die Folgen müssen vorausschauend bearbeitet werden, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.“ Deshalb fordere die SPD, dass Investitionen in die Zukunft bleiben müssen, dabei ist Solidarität und sozialer Zusammenhalt unverzichtbar. „Soziale Angebote, Jugendarbeit, Sport und Kultur sind das Rückgrat unserer Gemeinschaft.“
Die SPD-Fraktion lehnt den Haushalt 2025 ab.
Wirtschaftsplan keine Aufgabe der Lokalpolitiker
„Krisenzeiten Teil 2“ betitelte Ralph Böwingloh (FDP-Fraktionsvorsitzender) seine Haushaltsrede. „Denn wenig ist besser geworden in 2024.“ Seine Fraktion sei es langsam leid der ständige Mahner zur Sparsamkeit und Verzichtsausübung zu sein. Der Haushaltsplanentwurf unterstütze die Meinung, denn seine Fraktion weise seit Jahren auf die drohende Haushaltssicherung hin, ohne das sich Grundlegendes geändert habe.
Er vermisse beispielsweise die klare Ansage an die Sportvereine, dass keine Mittel für eine Sporthalle zur Verfügung ständen. Zugewandt zu Bürgermeister Sunder: „Ihre Rolle als Chef der Verwaltung verlangt Klarheit und Präzision sowie eigene Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung, nicht endlose Monologe und verschachtelte Sätze, in deren Sie sich leider viel zu oft in den vergangenen Sitzungen verloren haben. Stattdessen fordern Sie immer wieder von uns ehrenamtlichen Politiker Vorschläge. Lassen Sie mich klarstellen: Wir sind nicht dafür da, einen Finanzplanung oder einen Wirtschaftsplan zu erstellen. Das ist Ihre Aufgabe.“
Böwingloh warnte vor einer weiteren Schuldenentwicklung: „Die ausgeweitete Finanzierung über Kassenkredite belastet zukünftige Generationen, ohne dass Ihnen daraus ein Vorteil erwächst.“ Mit Blick auf die Wahlen im nächsten Jahr forderte der FDP-Fraktionsvorsitzende Ehrlichkeit im Wahlkampf und keine Versprechungen zu machen, die nicht tragbar seien. Bei geplanten Neubauten fordere Böwingloh auch vorhandene Modulbauweisen zu überdenken, um Kosten zu minimieren. Den Haushaltsplanentwurf werde die FDP ablehnen.
Prioritäten setzen
„Die bevorstehende Haushaltssicherung erfordert es, dass der Stadtrat alle Ausgaben kritisch hinterfragt und Prioritäten setzt. In der aktuellen finanziellen Lage ist es unverantwortlich, Ressourcen in Projekte zu investieren, die zwar wichtig sind, aber aktuell nicht im Einklang mit den dringenden finanziellen Erfordernissen der Stadt stehen“, erklärte Doris Heßbrüggen-Eisermann (fraktionslose Ratsfrau), die dem Haushaltsplan nicht zustimmen werde. Sie setzt auf Wirtschaftsförderung, verlangt messbare Kosten-Nutzen-Analysen und grundsätzlich zu allen Themen Fachvorträge aus mindestens zwei Perspektiven. Der Blick müsse proaktiv nach vorne gerichtet sein nach dem Motto „So viel Staat wie nötig – so wenig Staat wie möglich“.
Kommentar
Die Harmonie ist zum Ende des Jahres in den Ausschusssitzungen und letztlich auch in der letzten Ratssitzung des Jahres verklungen. Schienen die Sitzungen im Ratssaal doch vielfach einvernehmlich und sachlich ihren Lauf zu nehmen, teilweise sogar spannungslos – so jedenfalls meine Beobachtung in diesem Jahr, so braute sich zum Ende des Jahres Gewitterluft zusammen. Ob es nun daran lag, dass wenige Wochen vor Weihnachten ohnehin der Zeitdruck wächst und zu viele Sitzungen anberaumt waren, oder ob sich „dicke Luft“ über Monate angestaut hat, das mag aus Beobachterperspektive schwer einzuschätzen zu sein. Jedenfalls musste Bürgermeister Andreas Sunder einstecken. Überraschenderweise reagierte er nicht auf die Haushaltsreden der Fraktionen. Diplomatisches Kalkül?
Bei aller Kritik der Parteien bleiben aber auch Fragen an sie selbst. Warum lassen sie ihren Unmut erst am Ende des Jahres raus – wenn doch vorher schon viel falsch gelaufen sei. In dem Zusammenhang vermisse ich einen parteipolitischen Aufstand, wenn die Verwaltung einen festgesetzten Beschluss (Stichwort: Neuregelung der Wahlbezirke) versäumt, in die Tat umzusetzen. Wenn überhaupt gab es da den erhobenen Zeigefinger, aber ohne Konsequenzen. Und in Bezug auf die Finanzen wird dieses Versäumnis auch Geld kosten.
Ronald Pfaff
(Redakteur RSA)