Rietberg (dg). Das Interesse war sehr groß. Rund 500 Bürger/innen kamen am 2. August ins Bibeldorf zur Info-Veranstaltung der Stadt Rietberg zum geplanten neuen Wertstoffhof der heimischen Firma Kathöfer. Vor drei Monaten verbreitete sich bei Anwohnern rund um den Standort Rottwiese plötzlich die Nachricht über das Großprojekt. Erste spontane Versammlung verunsicherter Bürger folgte. Unverständnis und herbe Kritik machten dabei die Runde. Die Stadt plant im Verborgenen am Bürger vorbei und präsentiert vollendete Tatsachen, waren noch harmlose Äußerungen.
Anwesende Pressevertreter berichteten und schon brannte die Erde. Firma Kathöfer lud zum Pressegespräch und stellte diesem Kreis und später dem Stadtrat seine Zukunfts-Planung im Detail vor. Der RSA berichtete in seiner Ausgabe 1144. Im Rathaus herrschte plötzlich Handlungsbedarf. Mit einem Bürger-Infoabend sollte, ohne Wirkung aufs Planverfahren, der Verwaltungsprozess erklärt, Hintergründe erläutert werden. Bürgermeister Andreas Sunder begrüßte die übervolle Versammlung und erläuterte seine Beiträge zur Aufklärung über den Stand der Großprojekt-Planung. Dazu referierten Herr Tischmann als Planungsexperte, Leon Meyer, Architekt, Klaus Schnieder, Prokurist bei Kathöfer und Tim Kathöfer kurz über das Familienunternehmen. Nach dem kompakten Infoblock sollten Besucherfragen beantwortet werden. Regelverfahren für einen Bebauungsplan, Entwicklung eines Flächennutzungsplanes in Abstimmung mit Bezirksregierung und klare Standortvorteile für ein Gewerbegebiet mit vielen Details stellt Herr Tischmann vor. Weist auf die mögliche Laufzeit von 1 bis 1,5 Jahren einer derartigen Planung hin. Rund ein Jahr Planungszeit habe der Entwurf des neuen Wertstoffhofs gefordert, bis das zukunftsorientierte Modell in seiner jetzigen Form gereift sei, erklärte Leon Meyer. Die Modell-Präsentation per Beamer ergänzte er mit enormen Synergieeffekten durch eine Standortlösung. Dem schloss sich Klaus Schnieder aus Sicht von Kathöfer an, befasste sich aber im Kern mit den aufgelisteten Befürchtungen der IG-Rottwiese, die bis zu dem Abend anonym agierte. Punkt für Punkt lieferte er gegenteilige Argumente durch kontrolliertes Wertstoff-Recycling in der geplanten Anlage. Ein Bündel sachlicher Informationen aller Referenten. Doch die verfehlten ihr Ziel bei den Anwohnern mit ihren Befürchtungen. Kritische Fragen aus dem Publikum signalisierten das deutlich. Nur einige wurden aufgrund knapper Zeit beantwortet, mit Hinweis am Ende Referenten in kleiner Runde zu befragen. Das löste bei denen die sich durch die Anlage belästigt fühlen Frust aus. Gut gedacht – aber nicht gut gemacht. Der Protest wird massiver.
Anwohner organisieren Widerstand
Führungsteam aktiv als Ansprechpartner der IG Rottwiese
Rietberg (dg). Ihr erster Protest war eine spontane Versammlung im Mai auf dem Parkplatz Bibeldorf. Zu dem Zeitpunkt und auch später wollte zunächst keiner namentlich in Erscheinung treten. Alle Forderungen und starken Bedenken gegen das geplante Großprojekt Wertstoffhof blieben anonym. Das löste Unverständnis bei Verwaltung, Politik und Kathöfer aus. Auch während der Info-Veranstaltung der Stadt Rietberg, am 2. August im Bibeldorf, gab es noch keinen offiziellen Ansprechpartner. Nach dem Abend wurde allen Beteiligten der IG Rottwiese klar, wir müssen uns strukturiert organisieren, um konkret unser Ziel zu erreichen: „Wertstoffhof ja – aber nicht an der Stelle“. Zu groß sind Ängste um dauerhafte Belastungen (wie z. B. Lärm, Staub, Gerüche, Brandgefahr, Schadstoffe) im nahen Wohngebiet mit neuem Kindergarten. Raus aus der Anonymität bildete sich ein Kernteam (siehe Foto) zur Leitung des Protestes. Zum ersten Infoabend versammelten sich über 70 Bürger/innen im Antik-Markt an der Rottwiese. Für die Zeit der Bürgerbeteiligung im offiziellen Verfahren vom 14. August bis 15. September 2023 wollen sie sich gemeinsam rüsten. Wer 16 Jahre und älter ist, kann sich beteiligen. Bisher haben schon 200 Familien (ca. 700 Pers.) zugesagt die Aktion zu unterstützen. Fragen dazu beantwortet das Kernteam im Antik-Markt von 18 bis 20 Uhr, außer am 21. August. Mit Ratsfraktionen und Bürgermeister werden Gespräche geführt. Ein Fachanwalt der IG-Rottwiese erhält Akteneinsicht. Bei massiver Beteiligung ist das Team zuversichtlich ihr Ziel zu erreichen.
LESERMEINUNG
Bürgervertreter*Innen müssen ihre Rolle wahrnehmen
Nahezu jede kritische Frage wurde sowohl von Firmenseite als auch von BM Sunder immer wieder damit beantwortet, dass alles nach Regeln und Normen abläuft. Wer sagt, dass das nicht ausreicht? Herr Sunder selber! „Alles, was laut ist oder Gerüche emittiert, also nicht verträglich ist zur Umgebungsbebauung, ist damit raus“, so beschrieb er in einem Zeitungsartikel 2017 die Regelung des Bebauungsplans 289 (um die Rettungswache herum), dass u.a. „selbstständige Schrott- und Lagerplätze, Bordelle und Vergnügungsstätten“ ausgeschlossen seien. Laut Bebauungsplan 289.1 soll nun auf der anderen Straßenseite in noch prominenterer Lage (Bibeldorf, Emsradweg, Kindergarten, Wohnbebauung) ein Recyclinghof gebaut werden. Logisch ist das nicht!
Wir erwarten, dass unsere gewählten Bürgervertreter*Innen aller Fraktionen sich besinnen und eine politische Entscheidung für die Bürger treffen und sich nicht hinter Normen und Regeln verstecken! Dass sie das können, haben sie 2017 bereits bewiesen.
Daniel Hemkentokrax im Namen der IG-Rottwiese