Rietberg (dg). 20 Tagesordnungspunkte standen auf der Sitzungsliste des Stadtrates, bei denen es überwiegend einstimmige Beschlüsse gab. Doch beim letzten Thema im öffentlichen Teil, bei dem es um die regelmäßige Bezuschussung des Gemeinschaftsraums Varensell ging, kippte die so oft in Diskussionen beschworene Contenance. SPD und CDU ließen noch einmal über ihre Sichtweisen jeweiliger Wahrheiten sprichwörtlich die Fetzen fliegen. Dabei ließ Bürgermeister Andreas Sunder teilweise Schwächen in der Sitzungsleitung erkennen.
Aber der Reihe nach: Im Laufe der Ratssitzung gab es zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dem Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ beizutreten, längeren Pro- und Kontra-Austausch. Die Vereinigung solidarisiert sich mit der Initiative „Seebrücke“ und der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer. Sie appelliert, aus Seenot gerettete Schutzsuchende zusätzlich aufzunehmen. Der Antrag wurde abgelehnt, da Rietberg laut Andreas Sunder mehr als ausgelastet ist. Auch eine Solidaritäts-Erklärung fand keine Mehrheit. „Solidarität wird durch unser Ehrenamt in Rietberg schon sehr umfangreich geleistet“, so Judith Wulf (FWG). Nachdem alle Tagesordnungspunkte entschieden waren, rief Bürgermeister Sunder zur Abstimmung „Gemeinschaftsraum Varensell“ auf. Vorsichtig sanft klang seine Botschaft: „Wir wollen hierbei nicht zurück, sondern nach vorne schauen.“
Was war bisher geschehen? Im Klosterdorf sind alle Vereine seit Langem auf der Suche nach einem Gemeinschaftsraum, wie in anderen Ortsteilen vorhanden. Nachdem eine kirchliche Immobilie langfristig nicht zur Verfügung stand, kam den Aktiven die Idee, mit Familie Hesse zu sprechen. Auf dem Gelände der ehemaligen Feierscheune der Gaststätte entsteht ein neuer Veranstaltungsort mit kleiner Brauerei. Das Gebäude aufzustocken für die ersehnten Räumlichkeiten fand beiderseitig Interesse. Laut Ortsvorsteher Wenzel Schwienheer (CDU) seien Überlegungen dazu im Herbst 2022 konkreter geworden. Um der Gründung eines Bürgervereins Planungssicherheit zu geben, wurde in der Dezember-Ratssitzung ein Vorratsbeschluss gefasst, der Initiative 3.000 Euro monatlichen Mietzuschuss zu zahlen. Den Antrag hatten Schwienheer (CDU), Manfred Habig (FWG) und Diana Kochtokrax (CDU) unterzeichnet. Die SPD wurde laut Gerd Muhle erst einen Tag vor der Ratssitzung informiert, da sah sie rot. „Wir unterstützen eine Lösung für Varensells Vereine, doch hier wollte die CDU, gemeinsam mit der FWG, etwas durchpeitschen“, so Muhles Credo. Er sah das jetzt als neue Bürgermeister-Mehrheit. Dieser könne den schnellen Beschluss gebrauchen. Die Verwaltung wurde zu spät informiert, so Schwienheer.
Muhle machte seine Sichtweise öffentlich und informierte die Presse. 125 Quadratmeter Raumgröße für 3.000 Euro monatlich sind 24 Euro Miete pro Quadratmeter. „Zuviel, nicht mit uns, zumal auch eine private Immobilie finanziert wird“, so Muhle. Politik und Vereinsseelen waren empört. Doch Muhle hat es nicht verstanden. „Der Beschluss diente der Vorplanung. Er reißt die Raumplanung auseinander. Mit Nebenräumen, Treppenhaus, Fahrstuhl sind mehr Flächen zu beachten. Er haut blind drauf und schadet allen“, grollt die CDU. Mit keinem Beteiligten hat er je gesprochen. Muhle bohre beharrlich neben der Realität, so die Christdemokraten weiter.
Zwischenzeitlich wurde in Varensell weiter geplant. Hesse realisiert sein Bauvorhaben mit einer Option, bei Bedarf einen Vereinsraum anzubauen. Im nicht öffentlichen Teil der Sport-, Sozial- und Kulturausschuss-Sitzung am 16. März, stellte Architekt Frank Hurlbrink eine überarbeitete Planung mit 212 Quadratmeter Raumgröße vor. Dafür zahlt die Stadt ab 1. Januar 2024 einen Zuschuss von 2.000 Euro monatlich über einen Zeitraum von 20 Jahren. Rund 9,45 Euro pro Quadratmeter. Zusätzlich gibt es für die ersten fünf Jahre 500 Euro im Monat für Vereinsgründung und Erstausstattung. Gesamtvolumen: 510.000 Euro. Darüber war sich der Ausschuss einig. Sunders Wunsch nach Sachlichkeit platzte jedoch schon zu Beginn. „So sang- und klanglos können wir das nicht stehen lassen“, eröffnete Muhle seine Stellungnahme. Grottenschlecht sei die Kommunikation in der Sache gewesen. Dieser Vorwurf ging an CDU-Fraktionschef Marco Talarico und Sunder. Der Bürgermeister hat den Unmut der Öffentlichkeit gespürt. „Ohne unser Einschreiten gäbe es heute nicht den tragbaren Kompromiss“, so Gerd Muhle.
Darauf folgte lautstarker Protest von CDU und FWG. Talarico zur SPD: „Muhle, Sie verdrehen die Tatsachen bis zur Unkenntlichkeit.“ Muhle konterte: „Das müssen Sie gerade sagen, Herr Trump.“ Wenn der verbale Hexenkessel bis dahin brodelte – jetzt kochte er über. Lautstarke Unmutsäußerungen füllten den Ratssaal. Bürgermeister Sunder griff ein und beruhigte die Gemüter. Gerd Muhle nahm seinen Präsidenten-Vergleich zurück und der Rathauschef forderte zur Abstimmung auf. Bei einer Gegenstimme (FDP) wurde die Vorlage angenommen. Geht doch – viel Lärm um Nichts. Es war mal wieder eine Lehrstunde politischer Realitäten.