Rietberg (dg/mad). Unter Inkaufnahme drohender Konsequenzen bewirtete das Ehepaar Goller jüngst Gäste im Biergarten. „ Wir kämpfen um unsere Existenz, die durch nicht nachzuvollziehende Maßnahmen gefährdet ist“, begründeten die Inhaber des Cafés an der Rathausstraße ihren zivilen Ungehorsam. Die Aktion rief die Staatsmacht auf den Plan.
Was war geschehen? Am Gründonnerstag boten die Betreiber, das Ehepaar Sabine und Frank Goller, ihr Tagesmenü auf Facebook an. Ihren To-Go-Service erweiterten sie mit dem Hinweis, die Speisen im Biergarten hinter dem Cafégebäude auf Wunsch verzehren zu können. Das Angebot nahmen dann einige Gäste auch an. Gastronomieräume im Haus waren geschlossen. Gegen 14 Uhr trafen mit Christa Habrock und Thorsten Zwick zwei Bedienstete vom Rietberger Ordnungsamt beim „Päusken“ ein. „Während Frau Habrock freundlich und sachlich um die Schließung des Biergartens bat, schlug Herr Zwick gleich einen scharfen, unfreundlichen Ton an und befahl den Service sofort zu schließen“, schildert Sabine Goller. Nach einem Nein, verließen beide das Café. Kehrten um 16 Uhr mit nochmaliger Aufforderung zurück.
„Da wir sowieso ein Bußgeld zahlen werden, haben wir gesagt, dass wir erst ab 17 Uhr, wie geplant, schließen“, erläutern Sabine und Frank Goller. Laut Schilderung überschlugen sich dann die Geschehnisse. 16.30 Uhr trafen Rietbergs Fachbereichsleiter Bürgerdienste Stefan Tydecks und die Leiterin des städtischen Ordnungsamtes Martina Venne beim Café „Päusken“ ein. Mit ihnen 14 Polizeibeamte in Kampfausrüstung. Bekleidet mit kugelsicheren Westen, Schutzhelmen, Pistolen und Schlagstöcken. Fünf von ihnen sicherten den Thekenraum im Gebäude, neun den Biergarten im Hof. Vorab sollen, laut Beobachtung, Rathausstraße sowie Bolzenmarkt für den Einsatz gesperrt worden sein. Umgangston und Handlung wurden bestimmter und rauer. Als der Sohn der Familie Videoaufzeichnungen filmte, überwältigten ihn vier Polizisten, drückten ihn an die Hauswand, entwendeten sein Handy. Das wurde, laut Auskunft der Polizei, auf richterlichen Beschluss als Beweismittel beschlagnahmt. Von zehn Gästen und vier Familienmitgliedern wurden Personalien aufgenommen. Da das Ordnungsamt befürchtete, der Biergarten würde am nächsten Tag wieder geöffnet, ließ man vom Bauhof 10 Tische und 41 Stühle abtransportieren und kostenpflichtig einlagern. Bürgermeister Sunder war während der Räumung auch vor Ort. „Ich bedauere außerordentlich, dass es soweit kommen musste.
Zweimal haben unsere Mitarbeiter mit Rücksicht und zeitlichem Handlungsraum sachlich aufgefordert zu schließen. Da dies nicht geschah, mussten wir als Behörde gesetzlich handeln“, erläutert BM Sunder auf Anfrage des RSA. Dass die Verhältnismäßigkeit der Mittel angemessen war, wollen Sabine und Frank Goller nicht verstehen. „Wir wollten lediglich ein Zeichen setzen, gegen aktuellen Verordnungs-Wirrwarr in Sachen Corona. Wir sind weder Leugner dieser Pandemie, noch verfolgen wir politische Ziele. Am Ende kommen wir uns vor wie Verbrecher“, äußert sich Sabine Goller.
Familie Goller hat einen Anwalt eingeschaltet zur juristischen Prüfung der Vorgänge.
Die Aktion hat hohe Wellen geschlagen und zog sogar die Verlegung der Demonstration „Lichterspaziergang“ aus Gütersloh nach Rietberg nach sich. Auch in den sozialen Medien wurde heftig diskutiert über den Regelverstoß.
Schon deutlich vor 18 Uhr versammelten sich am vergangenen Montagabend die ersten Demo-Teilnehmer am Rietberger ZOB. Die Sartirepartei „Die Partei“ hatte ebenfalls Stellung bezogen und setzte mit sechs anwesenden Personen einen – wenn auch kleinen – Gegenpol. Um aufgrund der Pandemie nicht noch mehr Menschen nach Rietberg zu lotsen, verlasen sie lieber die Namen derer, die die Gegendemo unterstützten.
Dann setzte sich der Lichtergang unter dem Motto „Gemeinsam – mutig – stark“ in Bewegung und zog mit musikalischer Untermalung und begleitet Richtung Innenstadt. Dort einmal falsch abgebogen marschierten die Demonstranten die Rathausstraße entlang und anschließend zurück zum ZOB, wo Teilnehmer des Protestzuges die Gelegenheit bekamen, ihre Meinung kund zu tun. Der einhellige Tenor war, dass es endlich klare Regeln geben müsse und es kein „weiter so“ geben dürfe. Insbesondere nicht für diejenigen, deren Existenzen bedroht sind. Die Polizei lobte ausdrücklich, dass sich alle Teilnehmer friedlich verhalten hatten.