Rietberg (dg). Seit fast 33 Jahren ist er in der ehemaligen Grafenstadt an der Ems aktiv. Quereinsteiger nennt sich Manfred Beine selbst. Denn nach seinem zweiten Staatsexamen für das Lehramt Deutsch/Sozialwissenschaften erhielt er – für ihn zunächst überraschend – das Angebot, das Stadtarchiv Rietbergs zu leiten. Zum Vorstellungsgespräch im kleinen Kreis luden Politik und Verwaltung zu Rosenmontag 1987 um 8 Uhr ins Rathaus ein. Stunden später, vor dem großen Umzug, bekam Beine seine Zusage. Stilecht für die ostwestfälische Karnevalshochburg.
Näher bekannt wurde der neue Archivar vor seiner Einstellung in Rietberg mit zahlreichen Zeitungsartikeln über die Geschichte der fast 700 Jahre alten Stadt. Als freier Mitarbeiter engagierte sich der Harsewinkeler damals nach dem Examen in einer jobfreien Zeit. „Eigentlich bin ich seit dem zehnten Lebensjahr schon Rietberger“, klärt Manfred Beine im Gespräch mit dem Rietberger Stadtanzeiger auf. Als Internatsschüler bei den Weißen Vätern, im Kloster an der Stennerlandstraße, begann 1965 schon früh seine Laufbahn mit Abiturabschluss in Rietberg.
Unter anderen war es Käthe Herbort, die für ein eigenes Stadtarchiv plädierte und den jungen Harsewinkeler als Leiter ins Gespräch brachte, der offiziell am 1. Mai 1987 seine Tätigkeit begann. Grundwissen über Kommunalarchive lernte Beine in einer Fachschule im Crash-Kursus für Seiten-
einsteiger. Aus dem Landesarchiv in Münster übernahm er zu Beginn ein überschaubares Konvolut Rietberger Archivakten, die dort lagerten. Damit startete der neue Chef seine verantwortungsvolle Tätigkeit als Stadtarchivar mit großem Ehrgeiz. „Machen Sie das Archiv lebendig, lassen Sie die Rietberger an der Geschichte teilhaben“, gab man ihm als Leitmotiv mit auf den Weg des Handelns, erinnert sich Manfred Beine. Mit unermüdlicher Dynamik und Leidenschaft, erweitert durch ständig wachsendes Wissen aus akribischer Geschichtsforschung, setzte er seine Ziele um. Zunächst als Einzelkämpfer, später ergänzte Thorsten Austermann die umfangreich gewordene Archivarbeit. Mit ihm begann auch eine zeitgemäße Digitalisierung städtischer Archivalien. Über 20.000 Akten, bestehend aus zigtausend Seiten, umfasst der Bestand, beginnend mit Ende des dreißigjährigen Krieges.
Manfred Beines Archivpflege war nur der Einstieg in ein facettenreiches Wirken der vergangenen drei Jahrzehnte: Schon gleich zu Beginn seiner Tätigkeit stand für 1989 die Vorbereitung, Durchführung und Organisation des Jubiläums „700 Jahre Stadt Rietberg“ an. Ein Jahr mit zahlreichen Veranstaltungen und einem großen historischen Festumzug. Unterstützung bei Herausgabe und Vertrieb des dazu erschienenen Jubiläumsbuches zur Stadtgeschichte. 1988 erfolgten Veröffentlichungen für das Heimat-Jahrbuch des Kreises Gütersloh und ab 1992 redaktionelle Mitarbeit mit bisher 102 Buchvorstellungen. 2002 wurde Beine stellvertretender Leiter der Abteilung Schule, Kultur und Sport der Stadt Rietberg und übernahm 2003 noch die Leitung der Stadtbibliothek Rietberg. 2007 folgte die Eröffnung des Kunsthauses Rietberg – Museum Wilfried Koch durch die Stadt Rietberg. Von da an enge Kooperation von Museum, Bibliothek und Archiv.
Was Manfred Beine ab dem 18. Februar 2003 unter dem Titel „Literatur in Rietberg“ gelang, ist für den hiesigen Raum und weit darüber hinaus wohl einmalig und von hochrangiger Qualität. Bis zum Jahr 2015 organisierte und moderierte er 130 Literaturveranstaltungen überwiegend im alten Progymnasium – dem heutigen Ratssaal. Die Crème de la Crème deutschsprachiger Autoren kam zu Lesungen nach Rietberg. Ja, sie kamen aber auch um Manfred Beine, der sich blendend auskennt, umfassend belesen ist und dem es mit seinem Charme und Literaturkenntnissen gelang, den ganz großen Namen in Rietberg ein Podium zu bieten, zu sehen. Ralph Giordano, Daniel Kehlmann, Fritz J. Raddatz, Helga Müller (Literatur-Nobelpreis-Trägerin), Martin Walzer, Uwe Nauman, Juli Zeh, Peter Rühmkorf, Frido Mann, Jan Wagner, Jan Philipp Reemstma, Rolf Hochuth und Helmut Karasek sind nur einige Beispiele aus einer langen Namensliste. Unvergessene Erlebnisse bleiben beim Publikum zurück. Beines Engagement wurde auch durch einen privaten Literaturkreis monetär unterstützt. „Literatur in Rietberg“ war jedoch noch nicht alles, was er mit seiner Schaffenskraft unermüdlich realisiert hat. Buchprojekte wie „400 Jahre Schloß Holte“, „Sakrale Kunst in Rietberg“, „Das Postkartenbuch-Rietberg“ sind nur wenige Titel aus einer großen Anzahl von insgesamt 167 Veröffentlichungen. Beine war teils als Herausgeber, Mitautor, Redaktionsleiter oder Verfasser von Zeitungsbeiträgen tätig. Hinzu kommen noch Ausstellungen, Veranstaltungen und Projekte. So wie 2006/2007 die Vorbereitung auf die Landesgartenschau 2008 oder auch die Ausbildung von 100 Stadtführern.
2011 fand mit „Fürst Wenzel Anton Kaunitz-Rietberg“ eine viel beachtete Ausstellung der Stadt Rietberg zum 300. Geburtstag des Staatskanzlers von Kaiserin Maria Theresia statt. Auch hier kann nur erinnert werden, wo und wie Manfred Beine in den langen Jahren seiner Tätigkeit in Rietberg beteiligt war. „Historische Nachforschung ist manchmal spannender als ein Krimi“, resümiert der Stadtarchivar. Die Lust an Geschichte hat er verinnerlicht und ist zum anerkannten und geschätzten Archivar gereift.
Als eine ehrenvolle Auszeichnung seines Schaffens freut sich Manfred Beine über die Wahl 2018 zum ordentlichen Mitglied der Historischen Kommission für Westfalen. Hierzu wird man berufen in einen Kreis hochrangiger Wissenschaftler. Zum Jahresende wechselt Beine in einen wohlverdienten Ruhestand. Ob es dann wirklich einer wird, bleibt abzuwarten.